Högis Cyberspace

Gerhard Höger-Hansens private Website

Im Sommer 2020 hatten wir eine Reise nach Schweden geplant. An sich nichts besonderes, wir sind seit 1998 regelmäßig dort.

Unser Ziel war ein kleines Häuschen am Rande des Dorfes Fagerhult in Smaland, nahe Högsby. Gute 200 Einwohner, sicher kein Hotspot. Dort haben Freunde von uns, welche wir 1998 in Schweden kennen gelernt haben, dieses kleine Häuschen in den 90ern gekauft, als Ferienhaus, sozusagen für einen Appel und ein Ei, da nicht direkt an einem See gelegen.

Ich muss vorausschicken, dass unsere erwachsenen Töchter nicht in Gütersloh wohnen. Die ältere, 34 Jahre alt, wohnt in Potsdam mit Lebensgefährten und Kind und ist im 6. Monat schwanger. Die jüngere, 30 Jahre alt, wohnt in der Schweiz in einem Dorf westlich von Zürich mit ihrem Lebensgefährten, zwei gemeinsamen Kindern und zwei Kindern aus der ersten Ehe ihres Lebensgefährten.

Beide Töchter waren früher öfter mit uns und den Freunden gemeinsam in Fagerhult, so dass wir den Plan hatten, uns quasi als "Revival" mal wieder dort zu treffen und zwei Wochen gemeinsam zu verbringen. Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung hätten wir dann bestenfalls beim Einkaufen oder gelegentlichen Schwätzchen gehabt.

Die Schweizer hatten bereits einen Autoreisezug von Basel nach Hamburg gebucht, und wären von dort dann nach Fagerhult gefahren. Wir sind nach Potsdam gefahren, mit unserem alten Wohnmobil, und haben ein paar Tage mit der älteren Tochter verbracht. Von dort war dann die Fähre auf den 9. Juli gebucht. Tochter und Enkelkind sollten mit uns fahren, ihr Lebensgefährte wollte dann nachkommen.

Man merkt schon an den vielen Konjunktiven, dass es nicht wie geplant verlaufen ist. Also der Reihe nach:

Phase 1: Wie kommen wir nach Potsdam?

Die ersten Probleme kamen kurz vor der Abreise auf uns zu. Da bei unserem lokalen Fleischbaron Tönnies - er schlachtet in einer Riesenfabrik zwischen Rheda-Wiedenbrück und Gütersloh rund 30.000 (!) Schweine am Tag - rund 1.500 Mitarbeiter positiv auf SARS-CoV2 getestet wurden, wurde ein sogenannter "Lockdown" verhängt. "Lockdown" ist sprachlich wohl auf der Ebene von "baking friends" oder ähnlichem.

(Anmerkung: Tönnies ist seit Jahren für seine ausbeuterischen Arbeitsbedingungen unter Einsatz vorwiegend osteuropäischer Arbeiter bekannt, die über Sub-Sub-Sub Unternehmen dort arbeiten. Gleichzeitig gibt er aber den Mäzen und wird in der hiesigen Presse regelmäßig hochgejubelt. Und er ist gut Freund mit unserem Landrat.)

Der "Lockdown" war dann irgendwie komisch, denn am zweiten Tag erschienen Anzeigen der lokalen Geschäfte mit dem Tenor "wir haben geöffnet, kommt doch mal wieder rein", weil die meisten davon ausgegangen waren, jetzt wäre wieder alles zu. War es nicht, nur die Schulen als klassische Symbolpolitik. Dafür hat das ganze Theater dafür gesorgt, dass man nirgends mehr hinreisen durfte und Autos mit dem Kennzeichen "GT" andernorts beschädigt oder ihre Fahrer bedroht und beschimpft wurden. Ein interessanter Fakt am Rande war, dass trotz der über 1.500 neuen Infektionen höchstens rund 20 Fälle im Krankenhaus waren, davon 5 in Intensivbehandlung (soweit man den offiziellen Zahlen entnehmen konnte), und erfreulicherweise die Zahl der Toten im Landkreis bis heute (12. August) bei 20 verharrt. Ob der "Lockdown" hier schlimmeres verhindert hat? Glaubenssache - ich glaube eher, wer die Arbeitsbedingungen bei Tönnies übersteht, der übersteht auch Corona...

Kurz und gut, wir haben uns dann entschlossen, uns testen zu lassen (was auf dem hiesigen, stillgelegten Flughafengelände gemacht werden konnte und, zugegeben, gut organisiert war). Angeblich sollte Herr Tönnies das alles bezahlen, es würde mich interessieren, ob das wirklich passiert ist? Wird man wahrscheinlich nie erfahren.

Mit dem negativen Test konnten wir dann letztlich nach Potsdam los, wobei immer noch unklar war, ob wir Ärger bei der Fahrt durch Mecklenburg-Vorpommern bekommen könnten. Eine entsprechende Anfrage bei der "Corona-Hotline" von MV war erfolglos (sowohl telefonisch - keiner hebt ab - wie auch via E-Mail - keiner antwortet).

Phase 2: Die Schweiz macht jetzt auch auf Panik

Während wir schon in Potsdam waren, beschloss die Schweiz, nun eine Quarantänepflicht für Rückkehrer aus "Risikogebieten" zu verhängen. Was war geschehen?

Die Schweizer hatten die Züricher Partymeile wieder geöffnet und prompt gab es fast 600 neue gemeldete Fälle (davon zu der Zeit genau 2 im Krankenhaus). Statt nun, was naheliegend wäre, die Partykeller wieder zu schließen, hat man gleich eine Maskenpflicht im ÖPNV und eine Quarantäneregelung erlassen.

Für unsere Tochter hätte das bedeutet, dass sie nach der Rückkehr 2 Wochen unbezahlten Urlaub hätte nehmen müssen - Ausfall eines halben Monatslohns. Das kann sich unsereins nicht so einfach leisten.

Was nun?

Phase 3: Auswege suchen

Nachdem klar war, dass unsere Schweizer es nicht risikieren können, nach Schweden zu reisen, haben wir zunächst die Fähre storniert. Dies war, freundlicherweise, auch ohne alle Umstände möglich. Ich möchte nicht die Bilanzen der Fährunternehmen dieses Jahr sehen, sie müssen katastrophal sein (früher haben wir schon mal rund 300 Euro für eine Überfahrt bezahlt, diesmal wären es 83 gewesen).

Dann die Frage: Wo könnten wir sonst hin, in Deutschland? So kurzfristig? Der Autoreisezug für die Hinreise war nicht mehr stornierbar, für die Rückreise wenigstens mit 30% Selbstbehalt. Also sollten wir Schleswig-Holstein ansteuern.

Unsere Freunde haben an der Schlei noch ein Haus (alt und eigentlich nicht gut bewohnbar, aber das wäre für uns gegangen). Auf diesen Weg haben wir uns zunächst verständigt, wir würden das Womo vor die Tür stellen und im Haus soweit aufräumen, dass man alle unterbringen kann.

Leider ging das auch nicht - unsere Freunde haben Nachbarn, welche Ferienwohnungen vermieten, und diese nur halb belegen durften - Ärger wäre sicher gewesen. Außerdem stellte sich heraus, dass man ein "Hygienekonzept" hätten vorlegen müssen, auch bei privaten Einladungen. Das war beim besten Willen nicht zu machen.

Zuletzt - zwei Tage vor der Anreise der Schweizer - haben wir dann noch Ferien auf dem Bauernhof etwa zwischen Eckernförde und Husum gefunden, eine Wohnung für die Schweizer, die große Tochter und der kleine Robin konnten im Wohnmobil mit bleiben, das in einer Ecke des Hofes Platz fand.

Phase 3: Endlich Urlaub...

Leider war die Wohnung nur für eine Woche frei - aber wenigstens konnten sich alle geplant Beteiligten dort treffen. Die Gastgeber-Familie hatte mittlerweile erfahren, dass sie Gäste aus Gütersloh eigentlich gar nicht hätten beherbergen dürfen, aber zum Glück ist das am Tag unserer Anreise dann auch offiziell wieder aufgehoben worden; so war letztlich alles in Ordnung.

Wir haben dann ein paar schöne Tage dort verbracht, die Kinder hatten Auslauf und wir ein schönes Plätzchen hinten im Hof unter einem Baum, mit Kühen gleich nebenan. Es gab Fahrräder, Tretroller, Kettcars, Bälle, ein Trampolinhaus und somit genügend Beschäftigung für alle.

Einige Ausflüge (nach Schleswig, Tönning, Husum, Schleimündung) rundeten die Sache ab, es wurde aber auch klar, dass die touristischen Highlights ziemlich am Boden lagen. Da möchte ich nicht wirtschaftlich von abhängen dieses Jahr, die haben sicher alle ordentlich zu leiden.

Damit wir noch ein paar Tage mit der Familie genießen konnten, machten die Kinder und Enkel noch ein paar Tage bei uns in Gütersloh Station - zum Glück haben wir einen Garten mit kleinem Gartenhaus, in welchem unser altes Sofa steht. Somit konnten wir "die Potsdamer" im Gartenhaus, "die Schweizer" im Wohnmobil und die Kinder allesamt in unserem Gästezimmer unterbringen.

Urlaub mit Hindernissen, aber immerhin!